Monday, May 5, 2008

Caníbales o verdaderos humanos

»Kannibalen« oder »wahre Menschen«?
Im Jahre 1537 erließ Papst Paul III. eine Bulle, in der die Indianer als »wahre Menschen« bezeichnet wurden, die wie alle anderen menschlichen Geschöpfe der Annahme »des katholischen Glaubens und der Sakramente fähig« seien. Der christliche Oberhirte hätte kaum so ausdrücklich auf die Einheit des Menschengeschlechts verwiesen, wenn es nicht offenbar Zeitgenossen gegeben hätte, die anderer Auffassung waren.
Tatsächlich wurden die Indianer als Kannibalen bezeichnet, mit wilden Tieren verglichen und als »dreckige Hunde« beschimpft ý und eben auch so behandelt. Dem gegenüber stand allerdings auch schon das Bild des »edlen Wilden«. Bereits in dem Brief des Kolumbus an seinen Gönner am spanischen Hof, Luís de Santángel, vom 4. Februar 1493, der in publizierter Form Europa Nachricht von der Tat des Entdeckers gab, findet sich dieses gegensätzliche Bild des einerseits in paradiesischer Unschuld und Naturnähe lebenden »Wilden« und das des »Menschenfressers« andererseits. Der Vorwurf des Kannibalismus wird künftig das zentrale Argument für die Rechtfertigung der Eroberung, der Versklavung der Indianer und ihrer Zwangsmissionierung liefern.
Das sich für den neuen Kontinent durchsetzende Bild des Indianers als »Kannibalen« sollten indessen die in ganz Europa nach 1503/04 weit verbreiteten Vespuccibriefe prägen, die sich aufgrund zugkräftigerer Titel und ihrer geradezu genüsslichen Detailschilderungen des vorgeblich durch den Verfasser selbst beobachteten Kannibalismus von dem eher nüchternen Kolumbusbericht unterschieden. Bei dem gelehrten Humanisten findet sich das gesamte, von antiken und mittelalterlichen Topoi mitbestimmte Arsenal des »barbarischen« Indianers: Nacktheit, libidinöse Sexualmoral, das Fehlen jeder politischen und sozialen Ordnung, keine Religion, ständige Fehden und Kriege und allgemein üblicher Kannibalismus. Nicht anders sieht das Indianerbild des italienischen Humanisten Pietro Martire d'Anghiera aus, der mit seinen seit 1511 in Briefform erschienenen »Acht Dekaden über die Neue Welt« der neben Vespucci meistgelesene Autor von »Americana« war. Auch d'Anghiera, der nie in Amerika war, aber als Chronist der spanischen Krone und Sekretär des Indienrates persönlichen Kontakt zu den Entdeckern besaß, spricht immer wieder von den Indianern als »ekelhaften Menschenfressern«. Schließlich haben nicht zuletzt in spanischen oder portugiesischen Diensten stehende deutsche Konquistadoren wie Ulrich Schmiedel und Hans Staden zur Verbreitung des Kannibalismus-Topos beigetragen. Stadens Bericht über seinen neunmonatigen Aufenthalt bei den brasilianischen Tupinambá im Jahre 1553 enthielt 54 Holzschnitte, nicht weniger als 30 von ihnen waren Abbildungen kannibalistischer Szenen.
Selbst das Indianerbild der Missionare war zwiespältig, insgesamt bestimmt von einem paternalistischen Denken, das die Indianer im Stadium der Kindheit sah. Andererseits setzte eine ganze Reihe von ihnen sich noch am ehesten für die unterdrückten und ausgebeuteten Ureinwohner ein.

Prof. Dr. Horst Gründer, Münster
Bockhaus multimedial premium 2001. -- ©Bibliographisches
Institut & F. A. Brockhaus AG, 2001
Fuente secundaria: payer.de

No comments: