Monday, May 5, 2008

Regencia provincial y local -S. XVI

Provinz- und Lokalregierung

Die Generalkapitanien waren gebietsmäßig so groß wie heutigen Republiken Lateinamerikas; um die Verwaltung zu erleichtern, mussten sie in kleinere Einheiten unterteilt werden, die nach Größe und Bedeutung sehr stark differierten. Sie wurden, soweit es sich um große, dünn besiedelte Grenzgebiete handelte, von einem sogenannten gobernador, in Gebieten mit europäisierten Niederlassungen von einem alcalde mayor verwaltet. Diese drei Arten von Verwaltungsbeam ten hatten etwa gleich hohe Einkommen und gleich große Machtbefugnisse und fungierten zugleich als politische, juristische und militärische Autorität.


Jeder Gouverneur amtierte gewöhnlich nur drei Jahre lang in seinem Distrikt und musste häufig vor Verlassen sei Amtssitzes eine Aufstellung seines persönlichen Vermögens vorlegen. Er durfte keine Privatgeschäfte betreiben und nicht innerhalb seines Amtsbereichs heiraten. Gelegentlich wurden auch Landeigentümer oder Kaufleute für diese Position ernannt, die schon in der Neuen Welt ansässig waren; sie mussten gewöhnlich in weit von ihren Wohnorten entfernten Gebieten Dienst tun. Wie den Vizekönigen machte es die Vielzahl der Dekrete und Verordnungen auch den Gouverneuren schwer, ihr Amt ehrlich und integer zu führen, und manche entwickelten sich zu kleinlichen Tyrannen. Ihre Gehälter waren, verglichen mit denen der Generalgouverneure so niedrig, dass sie sich ständig durch die vielen Gelegenheiten zu Bestechung und Korruption versucht sahen. Im allgemeinen arbeiteten sie in enger Verbindung mit dem Stadtrat und konnten, sei es im öffentlichen oder im Interesse der Krone, in allen Angelegenheiten intervenieren, die von Versammlungen der lokalen Räte bearbeitet wurden.


Die corregidores waren besonders für das Wohlergehen Indianer verantwortlich und in diesem Zusammenhang oft in kleinere Bestechungsaffären verwickelt. Ein corregidor konnte unter dem Hinweis, ihr oberster Schutzherr zu sein, die Indianer zu persönlichen Dienstleistungen für ihn oder seine Freunde zwingen, zum Verkauf von Produkten unter dem Marktpreis, die er gewinnbringend weiterverkaufen konnte, oder zur Bezahlung überhöhter Abgaben jeglicher Art. Diese Missbräuche waren so verbreitet, dass die schlechten Beziehungen zwischen dem corregidor und den Indianern zum notorischen schwachen Punkt der spanischen Kolonialverwaltung wurden.


Vizekönige, audiencias und corregidores hatten mit den Stadt- und Dorfverwaltungen nichts zu tun; .... In jedem Staat muss es neben der Zentralgewalt auch lokale Gremien geben. Im spanischen Mutterland hießen die Lokalverwaltungen ayuntamiento oder cabildo, und diese Körperschaften wurden mit nur wenigen Veränderungen auf die Neue Welt übertragen. Die städtische Tradition spielte dabei in Hispano-Amerika die gleiche führende Rolle wie in Spanien selbst: Der cabildo wurde als erste Institution überall dort gegründet, wo Spanier sich niederließen. ...


Im allgemeinen gilt der cabildo als demokratische Institution, da er als einziger Verwaltungssektor auch den Kreolen, den in Amerika geborenen Söhnen und Enkeln spanischer Einwanderer, offen stand. In den ersten cabildos wurden die Ratsmänner, die regidores, gewöhnlich fünf bis zwölf an der Zahl, von den Siedlern selbst gewählt. Sobald die Stadt ihren Frontstadt«-Charakter verlor, hielt königliche Zentralgewalt Einzug, und die regidores waren in den meisten Fällen nicht länger wählbar. Um 1660 bestimmten die Provinzgouverneure, wer regidor wurde, und zwar oft nach Listen, die von scheidenden regidores aufgestellt worden waren. Einige Sitze wurden sogar erblich oder an den Meistbietenden vergeben, womit die Demokratie der cabildos praktisch schon beseitigt war. Städtische Behörden gingen zum Teil sogar in Privatbesitz über. Mit Beginn des 17. Jahrhunderts waren die meisten Lokalbehörden sowohl Privateigentum als auch erblich und damit die städtische Verwaltung unter der Kontrolle eines kleinen Kreise wohlhabender und einflussreicher Familien.


Die cabildos erfüllten die normalen Routinefunktionen der heutigen Stadträte: Sie verteilten Land, zogen lokale Steuern ein, überwachten die lokalen Miliz- und Polizeikräfte, vergaben Baugenehmigungen, verkündeten öffentliche Feiertage, stellten Paraden zusammen, überwachten öffentliche Märkte, bauten Brücken, kontrollierten Überschwemmungen und verteilten Getreide in Hungersnöten. Infolge des begrenzten Einkommens war das Budget und damit die öffentlicher Arbeiten und Dienstleistungen nicht groß. Es gab nichts, was einen Sinn für Gemeinschaft hätte wecken können; nur in ganz dringenden Fällen -- bei Verteidigungsproblemen, Überschwemmungen, Indianerüberfällen, speziellen Sammlungen für den König, um neue europäische Kriege zu unterstützen oder die Geburt eines Thronfolgers zu feiern -- wurde der wichtigste Teil der Bürgerschaft zu Beratungen zusammengerufen. Eine solche Versammlung hieß cabildo abierto oder offener Rat, auch wenn ihr nur die vornehmsten Bürger angehörten: Landeigentümer, Bischof und Klerus und die führenden Kaufleute. So selten offene Ratsversammlungen während der Kolonialzeit zusammentraten, so groß wurde ihr Einfluss während der Unabhängigkeitskriege.


Die cabildo-Mitglieder wählten eine ganze Reihe niederer städtischer Beamter. Oberster Beamter, eine Art Verbindung aus Bürgermeister, Stadtkommissar und Friedensrichter, war der von den regidores gewählte alcalde. Er war zugleich Präsident des örtlichen Gerichtshofs. Die kleineren Beamten, wie der Polizist, der öffentliche Treuhandverwalter, der Inspektor der Maße und Gewichte, der Kassierer gerichtlich festgesetzter Bußgelder, der städtische Rechtsbeirat, der Verwalter öffentlichen Eigentums, hatten etwa den Aufgabenkreis, der diesen Beamten auch in einer modernen Stadtverwaltung obliegt. Daneben gab es Polizeipräsidenten für lokale Bezirke, Steuereinnehmer und Finanzbeamte.


So etwa sahen die Stadtverwaltungen in den hispanisierten Gebieten aus, in denen sich Städte vom europäischen Typ entwickelt hatten.


Anders lagen die Dinge an den Grenzen. Hier gab es als wichtigste Institutionen die Missionsstationen, in denen Kirchenmänner die Regierung bildeten, und die presidios oder Garnisonen, in denen Militärbeamte die Soldaten befehligten. Solche Garnisonen waren an der Peripherie des Imperiums nötig zum Schutz von Handelsstraßen, von Handelsverbindungen zwischen den Städten und den reichen Minen des nördlichen Mexiko oder Boliviens oder auch, um Überfälle feindlicher Indianerstämme abzuwehren. Ein presidio bestand zumeist aus einem Fort und einer Anzahl von Soldaten mit ihren Familien, die Farmen rund um den Militärposten aufbauten und bewirtschafteten. Häufig wuchsen um eine solche Garnison wichtige Städte empor, wie etwa San Francisco.


Die Mehrheit der reinblütigen Indianer lebte nach wie vor in den pueblos. Der spanischen Regierung war daran gelegen, die über das ganze Land verstreuten Indianer zur Aufgabe ihres Nomadenlebens zu bewegen und in eigenen Dörfern anzusiedeln. Jedes dieser Indianerdörfer musste eine eigene Kirche samt Priester erhalten -- die Ausgaben dafür hatten die Indianer selbst aufzubringen --, um sie schnell und sicher der spanischen Vormundschaft zu unterstellen. Außerdem waren ein bis vier indianische Ratsherren oder regidores und ein alcalde oder Magistrat vorgesehen, die mit dem Einverständnis des corregidor gewählt wurden. Diese alcaldes teilten sich in die Rechtsprechung mit den caciques oder erblichen Stammeshäuptlingen, wenn auch die spanische Politik das Ziel verfolgte, die spanische Form der Lokalverwaltung und ihre Amtsbezeichnungen einzuführen, wo immer die Idee der alten Häuptlingswürde in den neuen pueblos verdrängt werden konnte.


Sogar die Lage der indianischen pueblos musste sorgfältig gewählt und diese mussten wiederum mit genügend allgemein zugänglichem Weideland versehen werden.


Caciques und alcaldes konnten ihre Stammesbrüder für Trunkenheit, für das Versäumnis, die Messe zu hören, und für kleinere Verletzungen der Stammesgesetze bestrafen, während alle größeren Übertretungen vor den corregidor kamen, der immer spanischer Herkunft und selten am sozialen Wohlergehen der Indianer interessiert war.
Abgesehen von ihren Zahlungen in die königliche Kasse und in die Privatschatulle des corregidor, mussten die indianischen Dorfbewohner ihre Gemeindekasse für lokale Verbesserungen und Festlichkeiten füllen, wie es jede Indianerstadt Lateinamerikas noch heute tut.


Abschließend wollen wir jedoch einräumen, dass trotz der Missbräuche durch das corregidor-System, trotz der hohen Abgaben, die die Indianer zu leisten hatten, trotz der Skandale, in die Vizekönige gelegentlich verwickelt waren, und trotz der Missachtung spanischer Gesetze in den Kolonien und des kolonialen Wohlergehens in Spanien das spanische Kolonialreich nicht schlechter verwaltet wurde als irgendein Imperium in der Geschichte bis zu diesem Zeitpunkt. Tatsächlich funktionierte das paternalistische Verwaltungssystem sogar bemerkenswert gut, und das während dreier Jahrhunderte und auf einem größeren Territorium, als es die Reiche der Antike je zu kontrollieren hatten. Mit der Zeit führten Bürokratismus und Restriktionen die Beamten dazu, neue Wege zu ersinnen, um diese Unbequemlichkeiten zu umgehen, der Gehorsam gegenüber königlichen und vizeköniglichen Befehlen ließ nach und die Korruption nahm zu. Die komplizierten Verwaltungsfunktionen und die Vielzahl der Instruktionen aus Spanien musste die Kraft des Kolonialregimes langsam, aber unausweichlich unterminieren.


Da Regierungsämter mit soviel Ehre und Prestigegewinn verbunden und so vielen in der Neuen Welt entstandenen Gesellschaftsklassen verschlossen waren, nahmen die Sucht nach Ämtern und der Nepotismus langsam überhand.
Ein Posten bei der Regierung bedeutete freie Bahn für raschen Wohlstand und soziales Ansehen. Schließlich gab es eine fast unübersehbare Menge von Beamten in Hispano-Amerika, und immer neue Posten wurden für Verwandte oder neue Verwandte für die bereits Inthronisierten geschaffen. »Bring mir einen Verwandten, ich habe einen Sonderposten bei der Regierung« soll ein geflügeltes Wort aus jener Zeit sein. Spanien seinerseits drückte bei kleineren Bestechungen ein Auge zu, um das Imperium vor größeren zu schützen, und nahm kleinere Verstöße gegen das Gesetz und Ungehorsam hin, um offene Rebellion zu vermeiden und sein System funktionsfähig zu erhalten. Als im 18. Jahrhundert das ganze Imperium zu zerfallen drohte und sowohl das Mutterland wie die Kolonien nach Reformen schrieen, führten die Bourbonenkönige jene Veränderungen durch, die noch zu beschreiben sind."


[Miller Bailey, Helen ; Nasatir, Abraham P.: Lateinamerika : von den iberischen Kolonialreichen zu autonomen Republiken. -- Essen : Magnus, ©1975. -- (Magnus Kulturgeschichte). -- Originaltitel: Latin America : the development of its civilization. -- S. 152 - 166]

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