1572
Abb.: Sir [! seit 1580] Francis Drake, Seeräuber im Dienste der englischen Königin
[Bildquelle: http://www.smithsonianmag.si.edu/smithsonian/issues97/jan97/drake_jpg.html
Abb.: Sir [! seit 1580] Francis Drake, Seeräuber im Dienste der englischen Königin
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"Ihr werdet sagen, dieser Kerl ist ein Teufel, der bei Tage raubt und nachts betet. So ist es. Mein Verhalten ist aber ebenso gerechtfertigt wie dasjenige des spanischen Vizekönigs, der die Anweisungen eines Schreibens König Philpps ausführt. So hat auch mir meine Landesherrin befohlen, in diese Gegenden (Westindien) zu kommen. Ich hab's getan -- und ob es unrecht ist oder nicht, wird sie am besten wissen."
Francis Drake zu gefangenen Spaniern
Der englische Kapitän und Seeräuber Francis Drake (um 1540 bis 1596) kapert in Panama das Schiff Nuestra Señora de la Concepción der spanischen Silberflotte. Er erbeutet dabei neben einem riesigen Silberschatz und zahlreichenSchmuckstücken auch 40 Tonnen Münzen. Die Beute teilt er mit dem englischen königlichen Hof (Elizabeth I.) soeie den Adeligen und leitenden Beamten des königlichen englischen Hofes, die mit Kapitalanteilen Schiffe und Ausrüstung Drakes finanziert haben ("Investieren sie in Seeräuberei"!). Drake ist einer von den vielen Piraten, Freibeutern und Kaperern, die es auf die spanische Silberflotte abgesehen haben.
* Piraten: gewöhnliche Seeräuber, die nicht auf die Nationalität des beraubten Schiffes achten
* Freibeuter: private Krieger, die mit stilschweigender Billigung einer Nation (im Falle von Spanisch-Amerika vor allem England, Frankreich, Niederlande) einen nicht erklärten Krieg gegen Schiffe bestimmter Nationen richten. Die Freibeuter der Karibik nennen sich boucaniers (Bukaniere)
* Kaperer: sind Freibeuter, die eine offizielle Beglaubigung durch eine Regierung besitzen (Kaperbrief).
Freibeuter und Kaperer werden völkerrechtlich oft nicht als Räuber sondern als Kriegsteilnehmer bewertet. Immer wenn in Europa seefahrende Nationen Konflikte hatten, blühte die Freibeuterei und Kaperei. In Friedenzzeiten kehrten die Freibeuter und Kaperer wieder zur Piraterie zurück.
Piraten hatten nur dann etwas von ihrer Beute, wenn sie sie auch losschlagen konnten. Da sie völkerrechtlich geächtet waren, konnten sie in den "zivilisierten" Seefahrernationen nicht legal handeln (in England wurden sie schwer bestraft). Viele nordamerkanische Kolonien (und ihre Gouverneure) kooperierten aber mit den Piraten und waren der ideale Handelsplatz für Piratenbeute (so konnten die Kolonien nebenher auch noch ihr Mutterland England schädigen).
"Das Ungeheuer Francis Drake
Am leidenschaftlichsten wurde diese Übereinkunft von England befürwortet. Das Königreich war damals der schwächste Partner in dem exklusiven Kreis der Seefahrernationen, und vielleicht erkannten gerade deshalb die britischen Staatsmänner und Herrscher besonders früh, dass England daraus den größten Nutzen ziehen konnte. Seine Piraten hatten fast ausnahmslos nichts anderes im Sinn, als in den Freiräumen der Meere Beute zu machen. Aber diejenigen von ihnen, die immerhin Anflüge von Format besaßen, achteten sorgsam darauf, dass ein hoher Prozentsatz des Geraubten am Königshof abgeliefert wurde - manchmal war es fast die Hälfte.
Das englische Freibeutergewerbe wurde erstmals von John Hawkins auf einen bemerkenswerten Stand gebracht. Er entstammte einer Familie von Kaufleuten und Schiffseignern aus Plymouth. 1562, 30 Jahre alt, segelte er mit einer Dreierflottille zu seiner ersten Fahrt nach Afrika. An der Sierra Leone überfiel er portugiesische Schiffe, raubte dreihundert Negersklaven und verkaufte sie mit riesigem Gewinn in Haiti. Königin Elisabeth I. wusste offiziell nichts von dieser Fahrt, was sie aber nicht hinderte, höchst offiziell die prachtvollen Perlen zu tragen, die ihr Hawkins aus Westindien mitbrachte.
1566 wurde John Hawkins von einem jungen Mann besucht, einem entfernten Verwandten seiner Familie. Dieser Francis Drake hatte sich kürzlich unter Kapitän John Lovell an einer Fahrt nach Mexiko beteiligt; sie war ein katastrophaler Misserfolg gewesen, die Engländer wurden von den Spaniern völlig ausgeraubt. Von dieser Fahrt brachte Francis Drake vollendete seemännische Kenntnisse und einen maßlosen Hass auf die Spanier mit. Hawkins bereitete für das folgende Jahr eine neue Kaperexpedition vor. Im Oktober 1567 lichteten sechs Schiffe die Anker. Das Flaggschiff »Jesus von Lübeck«, 700 Tonnen groß, hatte Königin Elisabeth dem Flottillenchef Hawkins selbst zur Verfügung gestellt; sie war an dem Unternehmen noch mit einem zweiten Schiff, der »Minion«, beteiligt. Francis Drake befehligte eine kleine Barke von 50 Tonnen, die »Judith«. An der Guineaküste erbeuteten die Engländer 500 Sklaven und segelten mit ihnen nach Amerika. Die Fahrt war ein halber Rachezug, denn sie liefen die Hafenstadt Rio de la Hacha an, in der Kapitän Lovell und Drake 1565 ausgeplündert worden waren. Als die Spanier jeden Handel mit den Engländern ablehnten, landete ein Kommando zu einem Plünderungszug, anschließend wurde die Stadt beschossen. Erst jetzt erklärten sich die Bewohner bereit, die Sklaven abzukaufen. Auf der Rückfahrt kamen die Schiffe in ein schweres Unwetter, des Flaggschiff schlug leck, Hawkins und Drake mussten in San Júan de Ulloa bei Veracruz Schutz suchen. Am nächsten Tag fuhren dreizehn spanische Geleitschiffe in den Hafen ein. Hawkins
und der spanische Befehlshaber vereinbarten ein neutrales Verhalten. Wenig später brachen die Spanier jedoch das Abkommen, eröffneten das Feuer auf die britischen Schiffe und töteten jeden Engländer, der sich an Land befand. Hawkins und Drake konnten zwar vier Spanier in den Grund bohren, verloren aber selbst die »Jesus von Lübeck« und drei weitere Schiffe; nur die »Minion« und die »Judith« retteten sich, schwer beschädigt, aufs offene Meer. Drake erreichte am 20. Januar 1569 Plymouth, seine »Judith« kroch mehr in den Hafen als dass sie segelte. Eine Woche später erreichte auch Hawkins die Küste von Cornwall. Die »Minion« war in einem so jämmerlichen Zustand, dass er sie von hier nach Plymouth schleppen lassen musste.
Das Missgeschick der beiden Korsaren wurde in England als eine quasi öffentliche Demütigung empfunden. Hawkins und Drake, die sich genaugenommen nur hatten übertölpeln lassen, unterstützten diese Meinung durch kräftige Klagen über die Wortbrüchigkeit der Spanier. Der königliche Hof zeigte lebhaftes Verständnis für diese Version, denn durch den Verlust der »Jesus von Lübeck«, durch die unerfüllte Hoffnung auf ihren Anteil an der Beute und die havarierte »Minion« war auch Elisabeth I. geschädigt worden. Bei Hawkins hielten sich Rachegefühl und Resignation die Waage, Drakes verletzter Stolz dagegen ließ keine andere Empfindung zu als Hass.
Sein nächstes Unternehmen bereitete er außerordentlich gründlich vor. 1570 segelte er mit zwei kleinen Schiffen zu einer Erkundungsfahrt nach Westindien. Drake war zwar inzwischen in die Königliche Marine aufgenommen worden, doch die Expedition unternahm er auf eigene Faust, ebenso eine zweite Rekognoszierungsfahrt mit nur einem Schiff im darauffolgenden Jahr. Er lernte die Inseln der Karibik, die Küste Südamerikas, die Strömungen, Untiefen und Windverhältnisse, die Schlupfwinkel und versteckten Naturhäfen so gut kennen, als wäre er dort aufgewachsen. Drake wusste jetzt auch bis in die Einzelheiten, wie die spanischen Galeonen mit Gold beladen wurden, wie ihr Geleitzugsystem funktionierte, wie die Schatzschiffe gesichert wurden. Im Jahre 1626, dreißig Jahre nach dem Tod von Francis Drake, veröffentlichte einer seiner Neffen einen Bericht über das Unternehmen, zu dem Drake 1572 mit nur zwei Schiffen aufbrach. Die Notizen erschienen unter dem Titel »Sir Francis Drake redivivus fordert dieses stumpfsinnige und verweichlichte Zeitalter auf, seinen noblen Schritten nach Gold und Silber zu folgen«. Die »noblen Schritte nach Gold und Silber« des Kapitäns Drake machten seinen Namen binnen wenigen Monaten in ganz Europa berühmt und berüchtigt. Es war eines der verwegensten Projekte der ganzen Epoche, würdig auch des Beinamens, mit dem Königin Elisabeth inzwischen von spanischen und französischen Diplomaten ausgezeichnet wurde: »Perfide, freche Jezabel des Nordens«. Und wirklich mehr als frech - sofern dieses Wort die Drakesche Expedition treffend charakterisiert - war seine spektakuläre Kaperfahrt, zu der er im Mai 1572 auslief.
Die Besatzung hatte Drake ausnahmslos aus Freiwilligen zusammengestellt, aus blutjungen Seeleuten, insgesamt 73 Mann. Ein volles Jahr trieb sich Drake mit ihnen an der Nordküste Panamas herum, überfiel Städte und Garnisonen, kaperte Fregatten, lieferte sich Gefechte mit spanischen Truppen, tauchte blitzschnell und völlig unerwartet auf, landete einen Coup und verschwand ebenso rasch, als hätte ihn die See verschluckt - offensichtlich ein ebenso genialer wie verrückter Abenteurer, der es nur darauf angelegt hatte, seinen Hals zu riskieren, aber mit dem Teufel im Bunde sein musste, weil er jeder Falle entschlüpfte.
Verrückt musste er deshalb sein, weil er auf eigene Faust, aber namens angemaßter Stellvertretung des kümmerlichen Inselkönigreiches England, die Weltmacht Spanien zu attackieren wagte, vielmehr: Ein einzelner Mann mit zwei kleinen Schiffen und einem Haufen verwegener Burschen führte Krieg gegen den spanischen König, gegen den faktischen Herren der Welt in dieser Zeit. Die Hälfte von Drakes Raubzügen schlug fehl, endete ganz anders als geplant, aber sein jähes Hervorbrechen und urplötzliches Verschwinden, die Tollkühnheit seiner Angriffe mit wenigen Männern, die Unverschämtheit, mit der er sowohl an Land als auch auf See alles überfiel, was ihm einen Versuch wert zu sein schien, festigte seinen Ruf bei den Spaniern: Der Einzelgänger Drake war kein normaler Kapitän, sondern ein Ungeheuer des Meeres. Dementsprechend wurde sein Name spanisch abgewandelt: »El draque — der Drache«. Soweit es die Mischung aus Bewunderung und Wut betraf, die darin lag, glaubte auch Drake selbst an seine »Ungeheuerlichkeit« , denn er war maßlos eitel auf seine Tollkühnheit und seemännische Überlegenheit und hatte unstreitig auch ein gewisses Recht dazu.
Sein Hauptziel war es, einen der großen Silber- und Goldtransporte, die von Peru über Land nach Panama zum Hafen Nombre de Dios gingen, zu überfallen. Ein erster Versuch missglückte, der zweite wurde ein voller Erfolg. Der Transport bestand aus fast zweihundert Packtieren; um die ganze Beute fortzuschleppen, war die Zahl der Engländer zu gering, sie beschränkten sich deshalb auf das Gold. Anfang August 1573 fuhren die Schiffe Drakes in den Hafen von Plymouth ein, schwer beladen mit einer ungeheuren Beute.
Die Achillesferse Spaniens
England jubelte, Spanien schäumte vor Zorn, Francis Drake lachte - und plante das nächste Piratenstück, ein Projekt, das alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. Dass er, der Seemann, die Geldtransporte nach Panama an Land überfallen musste, passte so zu ihm, als wäre ein Hai gezwungen, außerhalb des Wassers zu jagen. Die Konvois über den Atlantik waren schwer bewacht; ein Überfall im Alleingang hatte von vornherein keine Aussicht, nur mit einem größeren Schiffsverband war ein erfolgreicher Angriff möglich. Dazu aber konnte sich die Königin nicht entschließen, England fehlte noch bei weitem die maritime Macht, um Spanien offen herauszufordern, so stetig Elisabeth I. auch die Flotte vergrößern ließ.
Andererseits handelte es sich bei dem Verbindungsweg zwischen der Karibik und dem iberischen Mutterland um den Lebensnerv des spanischen Weltreichs. Der gesamte Staatsschatz hing völlig von den Silber- und Goldtransporten über den Atlantik ab; wenn dieser Zustrom versiegte oder auch nur kurze Zeit unterbrochen wurde, konnten die Truppen in den Niederlanden nicht besoldet, die neuen Schiffe nicht gebaut, die europäische Politik Spaniens nicht fortgeführt werden. In der Karibik und in Peru, das die größten Goldvorräte besaß, befand sich die Achillesferse Spaniens.
Drake erreichte eine Audienz und entwickelte der Königin seinen Plan. Das Edelmetall aus den Minen Perus wurde zu den Häfen der Pazifikküste Amerikas gebracht und dort auf die Schatzschiffe verladen, die nach Norden in den Golf von Panama fuhren. Hier wurden die Lasten auf Maultiere umgeladen und über die Landenge zu den karibischen Häfen transportiert, um dann an Bord der Schiffe nach Europa zu kommen. Drake hatte vor, durch eine Umsegelung Südamerikas in den Pazifik vorzudringen. Die Durchquerung der Magellanstraße war zwar nach dem Bericht Pigafettas das Entsetzlichste, was Seefahrer durchmachen könnten, aber er, Drake, schrecke vor nichts zurück. Auf der pazifischen Seite würde er dann in dem gewaltigsten Raubzug, den die Piratengeschichte kannte, die Schiffe des spanischen Königs ausplündern.
Elisabeth I. hungerte kaum weniger nach Gold als Drake. Der Plan versetzte sie in helle Begeisterung, sie versicherte Francis Drake, dass er ihre volle Unterstützung erhalten werde, und sie würde sich an dem Unternehmen auch finanziell beteiligen; offiziell könne und dürfe sie allerdings mit der Piratenfahrt nichts zu tun haben, besonders weil im Augenblick das Verhältnis Englands zu Spanien aufmerksamer denn je gepflegt werden müsse. Drake hatte für alles Verständnis, er wollte nichts weiter, als mit stillschweigender königlicher Rückendeckung seine Schiffe ausrüsten und schnellstens aufbrechen. Die Vorbereitungen wurden nicht eigens getarnt, um keine Neugier und keine Gerüchte zu wecken. Drake wusste, dass er seine Pläne am sichersten geheimhielt, wenn er möglichst offen vorging. Am 15. November 1577 verließ er mit fünf Seglern England.
Drakes Fahrt ähnelte in vielem dem Unternehmen Magellans, allerdings nur in nebensächlichen Dingen; beide brachen mit fünf Schiffen auf, beide mussten Meutereien niederschlagen, beide verloren Schiffe in Stürmen, beide Expeditionen endeten damit, dass nur ein einziges Schiff in den Heimathafen zurückkehrte. Drake durchquerte die Magellanstraße in der erstaunlich kurzen Zeit von sechzehn Tagen, mit drei Schiffen erreichte er im Herbst 1578 den Pazifik, verlor in einem wochenlangen Sturm zwei weitere Schiffe und segelte schließlich allein mit seinem Flaggschiff »Golden Hind« nach Norden.
Mit einem Überfall Valparaisos begann sein beispielloser Kaperzug. Er lief in den Hafen ein, plünderte die Stadt, raubte die Kirchen aus und überholte dann in aller Ruhe das Schiff, ergänzte die Vorräte und lag auf der Reede, bis sich die Mannschaft von den Strapazen erholt hatte. Während der nächsten fünf Monate segelte er ohne Hast die Küste entlang nach Norden, systematisch die Hafenstädte plündernd, über eine Strecke von mehr als 3000 Kilometer bis Lima. Die Stadt war der zentrale Stapelplatz für die Schätze Perus. Im Hafen ankerten zwölf große spanische Schiffe, die Kapitäne fühlten sich so sicher, dass die ganze Takelage an Land war; kein Mensch rechnete mit einem Überfall. Drake hatte kaum jemals so leichte Beute gemacht und noch nie in solchen Dimensionen.
In Lima erfuhr er, dass vor kurzem eine besonders große Galeone mit vielen Tonnen Silber, Gold und Schmuck nach Panama gesegelt war; das Schiff war allerdings schwer bestückt. Drake setzte dem Spanier sofort nach, holte ihn knapp jenseits des Äquators ein und konnte ihn trotz seiner Geschütze und der starken Besatzung entern. Außer Gold und Silber befanden sich unter Deck dreizehn Truhen mit Schmuck, Edelsteinen und anderen Kostbarkeiten. Drake dehnte seinen Piratenzug bis nach Mexiko aus, als Beute nahm er jetzt nur noch Gold und Perlen mit. Den Nordkurs hatte er deshalb eingeschlagen, weil er den amerikanischen Kontinent nach einer Nordwestpassage absuchte. Er drang bis zum 48. Breitengrad vor. Auf der Höhe der Insel Vancouver gab er das Projekt auf, überquerte im Gefolge Magellans den Pazifik, erreichte die Molukken, wurde von den Herrschern freundlich empfangen, belud den restlichen Laderaum seiner »Golden Hind« mit den kostbarsten Gewürzen und nahm endlich Kurs in die Heimat, quer durch den Indischen Ozean und seine Stürme, um das Südkap Afrikas und durch den Atlantik vorbei an den Azoren. Im Herbst 1580 tauchte die »Golden Hind« vor Plymouth auf, zerlumpt und abgerissen wie ihre Besatzung, ein jämmerliches Schiff, doch bis über den Freibord beladen mit einem ungeheueren Schatz: die »Golden Hind«, der berühmteste Segler der Epoche.
Vom Räuber zum Ritter
Niemand hat nach so langer Zeit noch mit der Rückkehr Drakes gerechnet. Der Hafenkommandant von Plymouth begrüßt das Schiff mit Salutschüssen, die Stadt taumelt vor Begeisterung, der Jubel brandet über das Land, die Nachricht von Drakes Ankunft erreicht London in der Nacht, die Menschen rütteln sich gegenseitig wach, sie strömen auf die Straße, auch die Königin wird im Palast von St. James geweckt, sie wirft ein Neglige über, trommelt ihre Räte zusammen - so wird erzählt - und stammelt ihnen die Nachricht entgegen: »Drake ist zurück, er hat die Welt umsegelt!« Dabei rinnen Tränen über ihre Wangen.
Francis Drake hatte dem Namen seines Schiffes auch in einem materiell messbaren Sinn alle Ehre gemacht. Die spanische Regierung war laufend über die mutmaßliche Größe der Schäden, die ihr Drake zufügte, informiert worden; der Gesamtumfang der Beute jedoch - in Spanien auch jetzt mehr durch Gerüchte als durch exakte Schätzungen bekannt - trieb die Erregung in Madrid auf den Höhepunkt. Philipp II. hatte sich schon nach den ersten Meldungen von Drakes Überfällen im Pazifik heftig in London beschwert. Seine Proteste wurden zunehmend schriller, als die Goldverluste so anstiegen, dass sich die Gefahr einer unmittelbaren Auswirkung auf das spanische Schiffsbauprogramm und die Besoldung der Truppen im Niederländischen Krieg abzeichnete. In heutiger Währung - vorsichtig geschätzt und samt den unerlässlichen Vorbehalten bei Umrechnungen — betrug die Beute auf der »Golden Hind« mehr als 56 Millionen DM. Die Hälfte davon war persönliches Eigentum der englischen Königin.
Nicht nur deshalb bestritt Elisabeth dem spanischen König gegenüber energisch, dass sie auch nur das geringste von den Überfällen Drakes gewusst habe; sie wehrte schon bei der ersten Demarche Madrids eineinhalb Jahre vorher alle Verdächtigungen und angedeuteten Mutmaßungen über ihre Mitwisserschaft, Billigung oder gar aktive Unterstützung ebenso scharf wie scheinheilig ab. Nach der triumphalen Rückkehr Drakes ging es jedoch nicht mehr nur um Gold und Edelsteine; es ging darum, dass Drake mit der ersten Weltumsegelung eines englischen Schiffes, mehr als ein Halbjahrhundert nach der Fahrt Magellans, die Überzeugung der Wortführer einer britischen Ozeanopolitik am Königshof — der »Navalisten« oder »Blue-Water« -Vorkämpfer- bewahrheitet hatte: »Wer das Meer beherrscht, der beherrscht die Welt.« Mit der Ankunft der »Golden Hind« in Plymouth begann Englands neue Zukunft. Und deshalb wies Elisabeth die spanische Forderung, dass alles von Drake Geraubte an Madrid zurückgegeben und »der größte Dieb der bekannten Welt« kategorisch bestraft werden müsse, kühl und ebenso kategorisch zurück. Es gäbe keine Beweise, dass Drake tatsächlich spanisches Gut geraubt habe; immerhin, sie werde die Angelegenheit gründlich und in Ruhe prüfen lassen.
Sie lud Drake zu einer Audienz und prüfte zunächst die Qualität der erbeuteten Schätze, und Drake überreichte ihr eine große Goldschüssel, gefüllt mit den herrlichsten Edelsteinen. Elisabeth war überwältigt, sie ließ umgehend eine neue Krone anfertigen. Die drei größten Smaragde prangten auf dem Diadem, die Königin zeigte sich damit am Neujahrsfest 1581 in der Öffentlichkeit. Francis Drake war jetzt zwar nicht mehr »ihr kleiner Pirat«, sie feierte ihn als »Helden des Landes«, als Ruhm Englands, aber sie passte trotzdem ihr Verhalten sorgfältig der außenpolitisch unvermindert delikaten Situation Englands an. Drake musste für einige Monate unter eine Art Tarnkappe; sein Schiff wurde, flankiert von Wachbooten, in ein Trockendock nach Deptford Yard an der Themse, zwischen den Surrey Docks und Greenwich, gebracht und dem spanischen Botschafter Don Bernardino de Mendoza gegenüber die Existenz Drakes und seine Affäre in der Schwebe gelassen. Das Verhältnis Englands zu Spanien in diesen Jahren legte eine solche Taktik nahe; dem unerklärten Krieg auf See durfte noch nicht der erklärte Krieg an Land folgen. Von Monat zu Monat wurde jedoch deutlicher, dass sich Spanien auf England als seinen hartnäckigsten und England auf Spanien als seinen gefährlichsten Feind konzentrierte - doch solange noch die geringste Hoffnung bestand, ein Arrangement zwischen beiden Mächten herzustellen, legten weder Philipp II. noch Elisabeth I. die Masken ab. Immerhin entschloss sich die Königin im April 1581 zu einem Schritt, den ganz England längst erwartete. Sie besuchte mit großem Gefolge Englands berühmten Seehelden auf seiner legendären »Golden Hind«. Drake und die Besatzung erwarteten die Herrscherin in Festkleidung, alle Schiffe im Hafen hatten über Topp geflaggt, und die Seeleute jubelten der Königin in ihrem Staatsboot mit dem traditionellen Ruf zu, den jedes weibliche Wesen auslöste, das sich damals einem Schiff mit Matrosen näherte: »Whore, Whore! - Hure, Hure!« Und die Königin, Queen Bess, durchaus in Einklang mit dem Vulgären ihrer Zeit, in der Welt Shakespeares genauso zu Hause wie in den Labyrinthen der Diplomatie, in den gemeinsten Seemannsflüchen ebenso bewandert wie in den erquickenden Bedrängnissen der Liebesnöte - Elisabeth nahm die Ovation ihres Seevolks strahlend und mit souveränem Witz entgegen; sie rief zurück: »Ay, ay! Seid ihr doch alle meine lieben Kinder!«
Auf den teppichbelegten Planken der »Golden Hind« trat Francis Drake der Königin entgegen, er verneigte sich, beugte das Knie. Elisabeth lächelte ihm zu und meinte, freimütig auf die spanischen Beschwerden anspielend, sie sei mit einem Schwert gekommen, um ihm den Kopf abzuschlagen. Drake blieb knien, und auf ein Zeichen Elisabeths trat der französische Gesandte vor und schlug in Stellvertretung der Königin den erfolgreichsten aller Piraten zum Ritter. Drake, in den Adelsstand erhoben und von nun an Sir Francis, wurde zum Vizeadmiral der Flotte ernannt."
[Diwald, Hellmut <1929 - >: Der Kampf um die Weltmeere. -- München [u.a.] Droemer Knaur, ©1980. -- ISBN 3-426-26030-1. -- S. 217 - 226]]
Abb.: Sir [! seit 1580] Francis Drake, Seeräuber im Dienste der englischen Königin
[Bildquelle: http://www.smithsonianmag.si.edu/smithsonian/issues97/jan97/drake_jpg.html
"Ihr werdet sagen, dieser Kerl ist ein Teufel, der bei Tage raubt und nachts betet. So ist es. Mein Verhalten ist aber ebenso gerechtfertigt wie dasjenige des spanischen Vizekönigs, der die Anweisungen eines Schreibens König Philpps ausführt. So hat auch mir meine Landesherrin befohlen, in diese Gegenden (Westindien) zu kommen. Ich hab's getan -- und ob es unrecht ist oder nicht, wird sie am besten wissen."
Francis Drake zu gefangenen Spaniern
Der englische Kapitän und Seeräuber Francis Drake (um 1540 bis 1596) kapert in Panama das Schiff Nuestra Señora de la Concepción der spanischen Silberflotte. Er erbeutet dabei neben einem riesigen Silberschatz und zahlreichenSchmuckstücken auch 40 Tonnen Münzen. Die Beute teilt er mit dem englischen königlichen Hof (Elizabeth I.) soeie den Adeligen und leitenden Beamten des königlichen englischen Hofes, die mit Kapitalanteilen Schiffe und Ausrüstung Drakes finanziert haben ("Investieren sie in Seeräuberei"!). Drake ist einer von den vielen Piraten, Freibeutern und Kaperern, die es auf die spanische Silberflotte abgesehen haben.
* Piraten: gewöhnliche Seeräuber, die nicht auf die Nationalität des beraubten Schiffes achten
* Freibeuter: private Krieger, die mit stilschweigender Billigung einer Nation (im Falle von Spanisch-Amerika vor allem England, Frankreich, Niederlande) einen nicht erklärten Krieg gegen Schiffe bestimmter Nationen richten. Die Freibeuter der Karibik nennen sich boucaniers (Bukaniere)
* Kaperer: sind Freibeuter, die eine offizielle Beglaubigung durch eine Regierung besitzen (Kaperbrief).
Freibeuter und Kaperer werden völkerrechtlich oft nicht als Räuber sondern als Kriegsteilnehmer bewertet. Immer wenn in Europa seefahrende Nationen Konflikte hatten, blühte die Freibeuterei und Kaperei. In Friedenzzeiten kehrten die Freibeuter und Kaperer wieder zur Piraterie zurück.
Piraten hatten nur dann etwas von ihrer Beute, wenn sie sie auch losschlagen konnten. Da sie völkerrechtlich geächtet waren, konnten sie in den "zivilisierten" Seefahrernationen nicht legal handeln (in England wurden sie schwer bestraft). Viele nordamerkanische Kolonien (und ihre Gouverneure) kooperierten aber mit den Piraten und waren der ideale Handelsplatz für Piratenbeute (so konnten die Kolonien nebenher auch noch ihr Mutterland England schädigen).
"Das Ungeheuer Francis Drake
Am leidenschaftlichsten wurde diese Übereinkunft von England befürwortet. Das Königreich war damals der schwächste Partner in dem exklusiven Kreis der Seefahrernationen, und vielleicht erkannten gerade deshalb die britischen Staatsmänner und Herrscher besonders früh, dass England daraus den größten Nutzen ziehen konnte. Seine Piraten hatten fast ausnahmslos nichts anderes im Sinn, als in den Freiräumen der Meere Beute zu machen. Aber diejenigen von ihnen, die immerhin Anflüge von Format besaßen, achteten sorgsam darauf, dass ein hoher Prozentsatz des Geraubten am Königshof abgeliefert wurde - manchmal war es fast die Hälfte.
Das englische Freibeutergewerbe wurde erstmals von John Hawkins auf einen bemerkenswerten Stand gebracht. Er entstammte einer Familie von Kaufleuten und Schiffseignern aus Plymouth. 1562, 30 Jahre alt, segelte er mit einer Dreierflottille zu seiner ersten Fahrt nach Afrika. An der Sierra Leone überfiel er portugiesische Schiffe, raubte dreihundert Negersklaven und verkaufte sie mit riesigem Gewinn in Haiti. Königin Elisabeth I. wusste offiziell nichts von dieser Fahrt, was sie aber nicht hinderte, höchst offiziell die prachtvollen Perlen zu tragen, die ihr Hawkins aus Westindien mitbrachte.
1566 wurde John Hawkins von einem jungen Mann besucht, einem entfernten Verwandten seiner Familie. Dieser Francis Drake hatte sich kürzlich unter Kapitän John Lovell an einer Fahrt nach Mexiko beteiligt; sie war ein katastrophaler Misserfolg gewesen, die Engländer wurden von den Spaniern völlig ausgeraubt. Von dieser Fahrt brachte Francis Drake vollendete seemännische Kenntnisse und einen maßlosen Hass auf die Spanier mit. Hawkins bereitete für das folgende Jahr eine neue Kaperexpedition vor. Im Oktober 1567 lichteten sechs Schiffe die Anker. Das Flaggschiff »Jesus von Lübeck«, 700 Tonnen groß, hatte Königin Elisabeth dem Flottillenchef Hawkins selbst zur Verfügung gestellt; sie war an dem Unternehmen noch mit einem zweiten Schiff, der »Minion«, beteiligt. Francis Drake befehligte eine kleine Barke von 50 Tonnen, die »Judith«. An der Guineaküste erbeuteten die Engländer 500 Sklaven und segelten mit ihnen nach Amerika. Die Fahrt war ein halber Rachezug, denn sie liefen die Hafenstadt Rio de la Hacha an, in der Kapitän Lovell und Drake 1565 ausgeplündert worden waren. Als die Spanier jeden Handel mit den Engländern ablehnten, landete ein Kommando zu einem Plünderungszug, anschließend wurde die Stadt beschossen. Erst jetzt erklärten sich die Bewohner bereit, die Sklaven abzukaufen. Auf der Rückfahrt kamen die Schiffe in ein schweres Unwetter, des Flaggschiff schlug leck, Hawkins und Drake mussten in San Júan de Ulloa bei Veracruz Schutz suchen. Am nächsten Tag fuhren dreizehn spanische Geleitschiffe in den Hafen ein. Hawkins
und der spanische Befehlshaber vereinbarten ein neutrales Verhalten. Wenig später brachen die Spanier jedoch das Abkommen, eröffneten das Feuer auf die britischen Schiffe und töteten jeden Engländer, der sich an Land befand. Hawkins und Drake konnten zwar vier Spanier in den Grund bohren, verloren aber selbst die »Jesus von Lübeck« und drei weitere Schiffe; nur die »Minion« und die »Judith« retteten sich, schwer beschädigt, aufs offene Meer. Drake erreichte am 20. Januar 1569 Plymouth, seine »Judith« kroch mehr in den Hafen als dass sie segelte. Eine Woche später erreichte auch Hawkins die Küste von Cornwall. Die »Minion« war in einem so jämmerlichen Zustand, dass er sie von hier nach Plymouth schleppen lassen musste.
Das Missgeschick der beiden Korsaren wurde in England als eine quasi öffentliche Demütigung empfunden. Hawkins und Drake, die sich genaugenommen nur hatten übertölpeln lassen, unterstützten diese Meinung durch kräftige Klagen über die Wortbrüchigkeit der Spanier. Der königliche Hof zeigte lebhaftes Verständnis für diese Version, denn durch den Verlust der »Jesus von Lübeck«, durch die unerfüllte Hoffnung auf ihren Anteil an der Beute und die havarierte »Minion« war auch Elisabeth I. geschädigt worden. Bei Hawkins hielten sich Rachegefühl und Resignation die Waage, Drakes verletzter Stolz dagegen ließ keine andere Empfindung zu als Hass.
Sein nächstes Unternehmen bereitete er außerordentlich gründlich vor. 1570 segelte er mit zwei kleinen Schiffen zu einer Erkundungsfahrt nach Westindien. Drake war zwar inzwischen in die Königliche Marine aufgenommen worden, doch die Expedition unternahm er auf eigene Faust, ebenso eine zweite Rekognoszierungsfahrt mit nur einem Schiff im darauffolgenden Jahr. Er lernte die Inseln der Karibik, die Küste Südamerikas, die Strömungen, Untiefen und Windverhältnisse, die Schlupfwinkel und versteckten Naturhäfen so gut kennen, als wäre er dort aufgewachsen. Drake wusste jetzt auch bis in die Einzelheiten, wie die spanischen Galeonen mit Gold beladen wurden, wie ihr Geleitzugsystem funktionierte, wie die Schatzschiffe gesichert wurden. Im Jahre 1626, dreißig Jahre nach dem Tod von Francis Drake, veröffentlichte einer seiner Neffen einen Bericht über das Unternehmen, zu dem Drake 1572 mit nur zwei Schiffen aufbrach. Die Notizen erschienen unter dem Titel »Sir Francis Drake redivivus fordert dieses stumpfsinnige und verweichlichte Zeitalter auf, seinen noblen Schritten nach Gold und Silber zu folgen«. Die »noblen Schritte nach Gold und Silber« des Kapitäns Drake machten seinen Namen binnen wenigen Monaten in ganz Europa berühmt und berüchtigt. Es war eines der verwegensten Projekte der ganzen Epoche, würdig auch des Beinamens, mit dem Königin Elisabeth inzwischen von spanischen und französischen Diplomaten ausgezeichnet wurde: »Perfide, freche Jezabel des Nordens«. Und wirklich mehr als frech - sofern dieses Wort die Drakesche Expedition treffend charakterisiert - war seine spektakuläre Kaperfahrt, zu der er im Mai 1572 auslief.
Die Besatzung hatte Drake ausnahmslos aus Freiwilligen zusammengestellt, aus blutjungen Seeleuten, insgesamt 73 Mann. Ein volles Jahr trieb sich Drake mit ihnen an der Nordküste Panamas herum, überfiel Städte und Garnisonen, kaperte Fregatten, lieferte sich Gefechte mit spanischen Truppen, tauchte blitzschnell und völlig unerwartet auf, landete einen Coup und verschwand ebenso rasch, als hätte ihn die See verschluckt - offensichtlich ein ebenso genialer wie verrückter Abenteurer, der es nur darauf angelegt hatte, seinen Hals zu riskieren, aber mit dem Teufel im Bunde sein musste, weil er jeder Falle entschlüpfte.
Verrückt musste er deshalb sein, weil er auf eigene Faust, aber namens angemaßter Stellvertretung des kümmerlichen Inselkönigreiches England, die Weltmacht Spanien zu attackieren wagte, vielmehr: Ein einzelner Mann mit zwei kleinen Schiffen und einem Haufen verwegener Burschen führte Krieg gegen den spanischen König, gegen den faktischen Herren der Welt in dieser Zeit. Die Hälfte von Drakes Raubzügen schlug fehl, endete ganz anders als geplant, aber sein jähes Hervorbrechen und urplötzliches Verschwinden, die Tollkühnheit seiner Angriffe mit wenigen Männern, die Unverschämtheit, mit der er sowohl an Land als auch auf See alles überfiel, was ihm einen Versuch wert zu sein schien, festigte seinen Ruf bei den Spaniern: Der Einzelgänger Drake war kein normaler Kapitän, sondern ein Ungeheuer des Meeres. Dementsprechend wurde sein Name spanisch abgewandelt: »El draque — der Drache«. Soweit es die Mischung aus Bewunderung und Wut betraf, die darin lag, glaubte auch Drake selbst an seine »Ungeheuerlichkeit« , denn er war maßlos eitel auf seine Tollkühnheit und seemännische Überlegenheit und hatte unstreitig auch ein gewisses Recht dazu.
Sein Hauptziel war es, einen der großen Silber- und Goldtransporte, die von Peru über Land nach Panama zum Hafen Nombre de Dios gingen, zu überfallen. Ein erster Versuch missglückte, der zweite wurde ein voller Erfolg. Der Transport bestand aus fast zweihundert Packtieren; um die ganze Beute fortzuschleppen, war die Zahl der Engländer zu gering, sie beschränkten sich deshalb auf das Gold. Anfang August 1573 fuhren die Schiffe Drakes in den Hafen von Plymouth ein, schwer beladen mit einer ungeheuren Beute.
Die Achillesferse Spaniens
England jubelte, Spanien schäumte vor Zorn, Francis Drake lachte - und plante das nächste Piratenstück, ein Projekt, das alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte. Dass er, der Seemann, die Geldtransporte nach Panama an Land überfallen musste, passte so zu ihm, als wäre ein Hai gezwungen, außerhalb des Wassers zu jagen. Die Konvois über den Atlantik waren schwer bewacht; ein Überfall im Alleingang hatte von vornherein keine Aussicht, nur mit einem größeren Schiffsverband war ein erfolgreicher Angriff möglich. Dazu aber konnte sich die Königin nicht entschließen, England fehlte noch bei weitem die maritime Macht, um Spanien offen herauszufordern, so stetig Elisabeth I. auch die Flotte vergrößern ließ.
Andererseits handelte es sich bei dem Verbindungsweg zwischen der Karibik und dem iberischen Mutterland um den Lebensnerv des spanischen Weltreichs. Der gesamte Staatsschatz hing völlig von den Silber- und Goldtransporten über den Atlantik ab; wenn dieser Zustrom versiegte oder auch nur kurze Zeit unterbrochen wurde, konnten die Truppen in den Niederlanden nicht besoldet, die neuen Schiffe nicht gebaut, die europäische Politik Spaniens nicht fortgeführt werden. In der Karibik und in Peru, das die größten Goldvorräte besaß, befand sich die Achillesferse Spaniens.
Drake erreichte eine Audienz und entwickelte der Königin seinen Plan. Das Edelmetall aus den Minen Perus wurde zu den Häfen der Pazifikküste Amerikas gebracht und dort auf die Schatzschiffe verladen, die nach Norden in den Golf von Panama fuhren. Hier wurden die Lasten auf Maultiere umgeladen und über die Landenge zu den karibischen Häfen transportiert, um dann an Bord der Schiffe nach Europa zu kommen. Drake hatte vor, durch eine Umsegelung Südamerikas in den Pazifik vorzudringen. Die Durchquerung der Magellanstraße war zwar nach dem Bericht Pigafettas das Entsetzlichste, was Seefahrer durchmachen könnten, aber er, Drake, schrecke vor nichts zurück. Auf der pazifischen Seite würde er dann in dem gewaltigsten Raubzug, den die Piratengeschichte kannte, die Schiffe des spanischen Königs ausplündern.
Elisabeth I. hungerte kaum weniger nach Gold als Drake. Der Plan versetzte sie in helle Begeisterung, sie versicherte Francis Drake, dass er ihre volle Unterstützung erhalten werde, und sie würde sich an dem Unternehmen auch finanziell beteiligen; offiziell könne und dürfe sie allerdings mit der Piratenfahrt nichts zu tun haben, besonders weil im Augenblick das Verhältnis Englands zu Spanien aufmerksamer denn je gepflegt werden müsse. Drake hatte für alles Verständnis, er wollte nichts weiter, als mit stillschweigender königlicher Rückendeckung seine Schiffe ausrüsten und schnellstens aufbrechen. Die Vorbereitungen wurden nicht eigens getarnt, um keine Neugier und keine Gerüchte zu wecken. Drake wusste, dass er seine Pläne am sichersten geheimhielt, wenn er möglichst offen vorging. Am 15. November 1577 verließ er mit fünf Seglern England.
Drakes Fahrt ähnelte in vielem dem Unternehmen Magellans, allerdings nur in nebensächlichen Dingen; beide brachen mit fünf Schiffen auf, beide mussten Meutereien niederschlagen, beide verloren Schiffe in Stürmen, beide Expeditionen endeten damit, dass nur ein einziges Schiff in den Heimathafen zurückkehrte. Drake durchquerte die Magellanstraße in der erstaunlich kurzen Zeit von sechzehn Tagen, mit drei Schiffen erreichte er im Herbst 1578 den Pazifik, verlor in einem wochenlangen Sturm zwei weitere Schiffe und segelte schließlich allein mit seinem Flaggschiff »Golden Hind« nach Norden.
Mit einem Überfall Valparaisos begann sein beispielloser Kaperzug. Er lief in den Hafen ein, plünderte die Stadt, raubte die Kirchen aus und überholte dann in aller Ruhe das Schiff, ergänzte die Vorräte und lag auf der Reede, bis sich die Mannschaft von den Strapazen erholt hatte. Während der nächsten fünf Monate segelte er ohne Hast die Küste entlang nach Norden, systematisch die Hafenstädte plündernd, über eine Strecke von mehr als 3000 Kilometer bis Lima. Die Stadt war der zentrale Stapelplatz für die Schätze Perus. Im Hafen ankerten zwölf große spanische Schiffe, die Kapitäne fühlten sich so sicher, dass die ganze Takelage an Land war; kein Mensch rechnete mit einem Überfall. Drake hatte kaum jemals so leichte Beute gemacht und noch nie in solchen Dimensionen.
In Lima erfuhr er, dass vor kurzem eine besonders große Galeone mit vielen Tonnen Silber, Gold und Schmuck nach Panama gesegelt war; das Schiff war allerdings schwer bestückt. Drake setzte dem Spanier sofort nach, holte ihn knapp jenseits des Äquators ein und konnte ihn trotz seiner Geschütze und der starken Besatzung entern. Außer Gold und Silber befanden sich unter Deck dreizehn Truhen mit Schmuck, Edelsteinen und anderen Kostbarkeiten. Drake dehnte seinen Piratenzug bis nach Mexiko aus, als Beute nahm er jetzt nur noch Gold und Perlen mit. Den Nordkurs hatte er deshalb eingeschlagen, weil er den amerikanischen Kontinent nach einer Nordwestpassage absuchte. Er drang bis zum 48. Breitengrad vor. Auf der Höhe der Insel Vancouver gab er das Projekt auf, überquerte im Gefolge Magellans den Pazifik, erreichte die Molukken, wurde von den Herrschern freundlich empfangen, belud den restlichen Laderaum seiner »Golden Hind« mit den kostbarsten Gewürzen und nahm endlich Kurs in die Heimat, quer durch den Indischen Ozean und seine Stürme, um das Südkap Afrikas und durch den Atlantik vorbei an den Azoren. Im Herbst 1580 tauchte die »Golden Hind« vor Plymouth auf, zerlumpt und abgerissen wie ihre Besatzung, ein jämmerliches Schiff, doch bis über den Freibord beladen mit einem ungeheueren Schatz: die »Golden Hind«, der berühmteste Segler der Epoche.
Vom Räuber zum Ritter
Niemand hat nach so langer Zeit noch mit der Rückkehr Drakes gerechnet. Der Hafenkommandant von Plymouth begrüßt das Schiff mit Salutschüssen, die Stadt taumelt vor Begeisterung, der Jubel brandet über das Land, die Nachricht von Drakes Ankunft erreicht London in der Nacht, die Menschen rütteln sich gegenseitig wach, sie strömen auf die Straße, auch die Königin wird im Palast von St. James geweckt, sie wirft ein Neglige über, trommelt ihre Räte zusammen - so wird erzählt - und stammelt ihnen die Nachricht entgegen: »Drake ist zurück, er hat die Welt umsegelt!« Dabei rinnen Tränen über ihre Wangen.
Francis Drake hatte dem Namen seines Schiffes auch in einem materiell messbaren Sinn alle Ehre gemacht. Die spanische Regierung war laufend über die mutmaßliche Größe der Schäden, die ihr Drake zufügte, informiert worden; der Gesamtumfang der Beute jedoch - in Spanien auch jetzt mehr durch Gerüchte als durch exakte Schätzungen bekannt - trieb die Erregung in Madrid auf den Höhepunkt. Philipp II. hatte sich schon nach den ersten Meldungen von Drakes Überfällen im Pazifik heftig in London beschwert. Seine Proteste wurden zunehmend schriller, als die Goldverluste so anstiegen, dass sich die Gefahr einer unmittelbaren Auswirkung auf das spanische Schiffsbauprogramm und die Besoldung der Truppen im Niederländischen Krieg abzeichnete. In heutiger Währung - vorsichtig geschätzt und samt den unerlässlichen Vorbehalten bei Umrechnungen — betrug die Beute auf der »Golden Hind« mehr als 56 Millionen DM. Die Hälfte davon war persönliches Eigentum der englischen Königin.
Nicht nur deshalb bestritt Elisabeth dem spanischen König gegenüber energisch, dass sie auch nur das geringste von den Überfällen Drakes gewusst habe; sie wehrte schon bei der ersten Demarche Madrids eineinhalb Jahre vorher alle Verdächtigungen und angedeuteten Mutmaßungen über ihre Mitwisserschaft, Billigung oder gar aktive Unterstützung ebenso scharf wie scheinheilig ab. Nach der triumphalen Rückkehr Drakes ging es jedoch nicht mehr nur um Gold und Edelsteine; es ging darum, dass Drake mit der ersten Weltumsegelung eines englischen Schiffes, mehr als ein Halbjahrhundert nach der Fahrt Magellans, die Überzeugung der Wortführer einer britischen Ozeanopolitik am Königshof — der »Navalisten« oder »Blue-Water« -Vorkämpfer- bewahrheitet hatte: »Wer das Meer beherrscht, der beherrscht die Welt.« Mit der Ankunft der »Golden Hind« in Plymouth begann Englands neue Zukunft. Und deshalb wies Elisabeth die spanische Forderung, dass alles von Drake Geraubte an Madrid zurückgegeben und »der größte Dieb der bekannten Welt« kategorisch bestraft werden müsse, kühl und ebenso kategorisch zurück. Es gäbe keine Beweise, dass Drake tatsächlich spanisches Gut geraubt habe; immerhin, sie werde die Angelegenheit gründlich und in Ruhe prüfen lassen.
Sie lud Drake zu einer Audienz und prüfte zunächst die Qualität der erbeuteten Schätze, und Drake überreichte ihr eine große Goldschüssel, gefüllt mit den herrlichsten Edelsteinen. Elisabeth war überwältigt, sie ließ umgehend eine neue Krone anfertigen. Die drei größten Smaragde prangten auf dem Diadem, die Königin zeigte sich damit am Neujahrsfest 1581 in der Öffentlichkeit. Francis Drake war jetzt zwar nicht mehr »ihr kleiner Pirat«, sie feierte ihn als »Helden des Landes«, als Ruhm Englands, aber sie passte trotzdem ihr Verhalten sorgfältig der außenpolitisch unvermindert delikaten Situation Englands an. Drake musste für einige Monate unter eine Art Tarnkappe; sein Schiff wurde, flankiert von Wachbooten, in ein Trockendock nach Deptford Yard an der Themse, zwischen den Surrey Docks und Greenwich, gebracht und dem spanischen Botschafter Don Bernardino de Mendoza gegenüber die Existenz Drakes und seine Affäre in der Schwebe gelassen. Das Verhältnis Englands zu Spanien in diesen Jahren legte eine solche Taktik nahe; dem unerklärten Krieg auf See durfte noch nicht der erklärte Krieg an Land folgen. Von Monat zu Monat wurde jedoch deutlicher, dass sich Spanien auf England als seinen hartnäckigsten und England auf Spanien als seinen gefährlichsten Feind konzentrierte - doch solange noch die geringste Hoffnung bestand, ein Arrangement zwischen beiden Mächten herzustellen, legten weder Philipp II. noch Elisabeth I. die Masken ab. Immerhin entschloss sich die Königin im April 1581 zu einem Schritt, den ganz England längst erwartete. Sie besuchte mit großem Gefolge Englands berühmten Seehelden auf seiner legendären »Golden Hind«. Drake und die Besatzung erwarteten die Herrscherin in Festkleidung, alle Schiffe im Hafen hatten über Topp geflaggt, und die Seeleute jubelten der Königin in ihrem Staatsboot mit dem traditionellen Ruf zu, den jedes weibliche Wesen auslöste, das sich damals einem Schiff mit Matrosen näherte: »Whore, Whore! - Hure, Hure!« Und die Königin, Queen Bess, durchaus in Einklang mit dem Vulgären ihrer Zeit, in der Welt Shakespeares genauso zu Hause wie in den Labyrinthen der Diplomatie, in den gemeinsten Seemannsflüchen ebenso bewandert wie in den erquickenden Bedrängnissen der Liebesnöte - Elisabeth nahm die Ovation ihres Seevolks strahlend und mit souveränem Witz entgegen; sie rief zurück: »Ay, ay! Seid ihr doch alle meine lieben Kinder!«
Auf den teppichbelegten Planken der »Golden Hind« trat Francis Drake der Königin entgegen, er verneigte sich, beugte das Knie. Elisabeth lächelte ihm zu und meinte, freimütig auf die spanischen Beschwerden anspielend, sie sei mit einem Schwert gekommen, um ihm den Kopf abzuschlagen. Drake blieb knien, und auf ein Zeichen Elisabeths trat der französische Gesandte vor und schlug in Stellvertretung der Königin den erfolgreichsten aller Piraten zum Ritter. Drake, in den Adelsstand erhoben und von nun an Sir Francis, wurde zum Vizeadmiral der Flotte ernannt."
[Diwald, Hellmut <1929 - >: Der Kampf um die Weltmeere. -- München [u.a.] Droemer Knaur, ©1980. -- ISBN 3-426-26030-1. -- S. 217 - 226]]
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